Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Network, Ensemble © Bettina Frenzel

Network, Ensemble © Bettina Frenzel

NETWORK Ein TV-Märchen aus den 1970er-Jahren

Alexander Rossi als Howard Beale © Bettina Frenzel

Alexander Rossi als Howard Beale © Bettina Frenzel

Der vergebliche Kampf der Wahrheit im Ringen um Einschaltquoten

„Ich bin scheiß wütend und lass mir das nicht mehr gefallen!“ Mit diesem Satz ließen sich in der goldenen Zeit des Fernsehens Millionen Zuschauer generieren. In den USA gab es gerade drei Stationen, von denen die abendliche Unterhaltung bestritten wurde. Um 18 Uhr gab es Nachrichten, die einfach geglaubt werden mussten. Sie waren der scheinbar reale Übergang zu den erdachten Unterhaltungssendungen, mit denen sich Menschen im weiten Land zwischen NYC und L.A. die Zeit bis zum Schlafengehen vertrieben. Der US-Autor Paddy Chayedsky schrieb damals für das Fernsehen und entdeckte in seiner täglichen Arbeit zwangsläufig das Komische in der Eindimensionalität dieses Entertainments. Die Idee zu einem Drehbuch für eine Satire lag nahe. Für die Bühne umgesetzt wurde sie vom Briten Lee Hall. Titel des Stücks: Network. Darin moderiert Howard Beale für UBS die Daily News. Er ist der Star, bis die Quoten sinken. Er soll abserviert werden. Howard denkt aber nicht daran, vom Bildschirm zu verschwinden. Er wird zum ersten Wutmoderator der TV-Geschichte. Als Ausdruck seines Unwillens kreiert er den einleitenden Satz, der wie in Blitz in die Medienlandschaft einfährt und zum Mantra eines nach schroffer Wahrheit dürstenden Publikums wird.

Network, Ensemble © Bettina Frenzel

Network, Ensemble © Bettina Frenzel

Simon Brader (Mr. Jensen), Eszter Hollósi (Diana Christensen) © Bettina Frenzel

Simon Brader (Mr. Jensen), Eszter Hollósi (Diana Christensen) © Bettina Frenzel

Felix Metzner hat diese Farce in der deutschen Übersetzung von Michael Raab für die SCALA Wien „telegen“ inszeniert, ganz im Stil der Seventies, in denen Prinzipal Bruno Max die Bühne gestaltet hat. Als Howard Beale wandelt sich Alexander Rossi vom seriösen Nachrichtensprecher zum Propheten, der mit himmlischer Erleuchtung und kantiger Sprache den Nerv frustrierter Zuschauer trifft. Sein Freund Max Schumacher (Leopold Selinger) ist Redakteur, der Howard halten will – wäre da nicht die ehrgeizige Diana Christensen (Eszter Hollósi), die ihn aus dem Job kippt und dennoch mit ihm ein Gspusi eingeht. Diesen beiden ist eine der stärksten Szenen zu verdanken. Verdeckt von der Lehne eines Fauteuils geht es zur Sache. Man sieht nur ihren wippenden Kopf und spürt die Erregung, die sie aber nicht davon abhält, bis zum schnellen Orgasmus wortreich über diverse Projekte zu quatschen.

Christina Saginth ist als Louise die zutiefst verletzte Ehefrau von Max, aber auch die umsichtige Maskenbildnerin, die vor jeder Sendung die Sprecher herausputzt. Mehrere Rollen wie den Regisseur und einen Manager bewältigt Christoph Prückner ebenso virtuos wie Prisca Buchholtz, die u. a., als aufmerksame Assistentin und harsche Anführerin von Terroristen tätig wird. Eine seltsame Art Teddybär ist Gunter Matzka, dessen bärtiger Ed Ruddy zerrieben zwischen Macht und Ohnmacht einen Herzinfarkt erleidet, während Florian Lebek als verfressener Sportmoderator auf seine Chance zum Anchorman lauert. Hendrik Winkler glaubt als Manager böses Spiel treiben zu können, scheitert aber am Gottsöbersten des mittlerweile entstandenen Konzerns. Gespenstisch zieht Mr. Jensen (Simon Brader) im 20. Stockwerk des Wolkenkratzers die Fäden und entscheidet eiskalt die Schicksale seiner Untergebenen. All das ist jedoch Vergangenheit, oder doch nicht? Die Medien haben sich zwar gewandelt, geblieben ist aber die Lust, jede Form der Unzufriedenheit in breitenwirksamen Wutausbrüchen herauszubrüllen und so Meinung machen zu wollen.

Kameramann und Wutmoderator © Bettina Frenzel

Kameramann und Wutmoderator © Bettina Frenzel

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