Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Bühnenorchester in Häftlingskleidung © Bettina Frenzel

Bühnenorchester in Häftlingskleidung © Bettina Frenzel

GOOD. EIN GUTER MENSCH Intelligenz schützt nicht vor Dummheit

Wolfgang Lesky, Hendrik Winkler © Bettina Frenzel

Wolfgang Lesky, Hendrik Winkler © Bettina Frenzel

Ein weiterer, aufschlussreicher Beitrag zur Metapher unseres schuldhaften Daseins

Keine neue Erkenntnis: Die Menschen in der Masse betrachtet neigen zum Verhalten einer Schafherde. Das Traurige daran: Es scheint eine angeborene Schwäche zu sein, gegen die es kein Heilmittel gibt. Besonders schlimm: Nicht nachvollziehbares Verhalten ist zwanghaft ständigen Wiederholungen ausgeliefert. Sich gegen die Macht eines solchen Tsunami zu stemmen, dafür waren und sind nur wenige stark genug. Der britische Autor C. P. Taylor, Schotte, Jude und Marxist, hat mit dem Schauspiel „GOOD“ den Prototypen des Mitläufers, erschaffen und damit ein Individuum aus der Schafherde herausgehoben. In der Übersetzung von Bruno Max wird daraus „Ein guter Mensch“, der es allen recht machen will und sich in jeder Beziehung mehr und mehr im Unrecht verstrickt.

Johanna Lindinger, Wolfgang Lesky, Lisa-Maria Bachlechner © Bettina Frenzel

Johanna Lindinger, Wolfgang Lesky, Lisa-Maria Bachlechner © Bettina Frenzel

Alexander Rossi, Wolfgang Lesky © Bettina Frenzel

Alexander Rossi, Wolfgang Lesky © Bettina Frenzel

Wolfgang Lesky wird zu Hans Halder, einem Professor für deutsche Literatur und Experten für Goethe im Frankfurt der 1930er-Jahre. Immer wenn ihm etwas sehr nahegeht, ertönt wie ein klingender Kommentar Musik in seinem Kopf (Videos von Marcus Ganser & Sam Madwar zeigen schattenhaft Musiker). Zwischen den ihn umgebenden Menschen wird er hin und her gezerrt und dabei nahezu zerrissen. Er hat ein rechtes Gfrett mit seiner Mutter (eine jammernde und keifende Johanna Lindinger), die in Demenz zu versinken droht, aber auch mit seiner Frau.

Helena (träge und mit sich hadernd: Lisa-Maria Bachlechner) ist nicht imstande, den Haushalt zu richten und die zwei Kinder zu versorgen. Wie könnte Hans da nein sagen, wenn Samantha Steppan als Studentin Anna auftaucht und ihm ihre Liebe erklärt. Sein bester Freund ist Moritz (Alexander Rossi), ein Arzt, aber auch Jude, der in dem Moment zum Problem wird, als Halder der Partei und in der Folge sogar der SS beitritt. Es hört sich alles logisch an, was der Professor unter wechselnder Musikbegleitung von sich gibt, bis zur Auswahl der zu verbrennenden Bücher. Er ist ja doch der Gute, der seine Zurückhaltung aber immer schwerer dem skeptischen Reichsleiter (Hans-Jürgen Bertram) erklären kann, von seiner Kameradschaft zu Fritz, dem Sturmbannführer (Hendrik Winkler), ganz zu schweigen. Es bleibt offen, ob er zu sich kommt, wenn bei einer Visite im KZ Auschwitz die Kapelle nicht nur in der Fantasie, sondern mit realen Musikern (ein Bühnenorchester in Häftlingskleidung) mit dem Marcia militare von Franz Schubert gespenstisch fröhlich aufspielt.

Wolfgang Lesky, Samantha Steppan © Bettina Frenzel

Wolfgang Lesky, Samantha Steppan © Bettina Frenzel

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