Kultur und Weindas beschauliche MagazinPARASITEN Störenfriede im Kleinstformat ganz groß
Zuerst musste jedoch ein absolut von Menschen gemachtes ein Problem gelöst werden: das Gendern. Der Professor an der Uni kennt mit der Sprache keine Gnade und zerhackt sie kalt lächelnd mit :, *, Doppelnennung oder Binnen-I in die Unleserlichkeit, was einem Mann praktisch geschriebener Informationen die Grausbirnen aufsteigen lässt. Man hat sich geeinigt: Im Singular ist alles weiblich, im Plural hingegen männlich; zwar auch gewöhnungsbedürftig, aber dem Schriftbild und der Verständlichkeit zuträglich.
Der erklärte Favorit Hutters unter den Parasiten ist Ophiocordyceps unilateralis, besser bekannt unter seinem Vulgonamen „Zombie-Pilz“. Man staunt, mit welcher Listigkeit dieser Winzling das Verhalten von Ameisen manipuliert. Das befallene Insekt stirbt just dort, wo sich der Pilz optimal ausbreiten kann. Etliche Seiten weiter ist zu erfahren, dass Draculas Rüssel ein Rolls-Royce ist. Gemeint ist das Weibchen der Anopheles, das, mit langen Tastern wie mit einem modischen Accessoire ausgestattet, des Nachts Menschenblut saugt und im Austausch so genannte Sporozoiten hinterlässt, um ihrem Beinamen Malariamücke gerecht zu werden. Zwischen den Kapiteln wird unter dem Motto „Parasit sucht Wirt“ ein einsamer Schmarotzer ähnlich wie in „tinder“ vorgestellt, mit seinen zweifelhaften Vorzügen, mit Red flags und der unwiderstehlichen Beschreibung seiner Persönlichkeit.
So hält auch Enterobius vermicularis wie jede eitle Frau sein Alter geheim. Darauf folgen Ausführungen, die trotz aller Komik der Metaphern der Leserschaft die Haare zu Berge stehen lassen. Manchen dieser Monster scheint man hilflos augesetzt zu sein, trotz einer funktionierenden Armee für einen dramatischen Abwehrkampf im Körper. Weit zurück in die Vergangenheit führt uns diesbezüglich Ötzi, der sich „als wandelndes Kompendium sämtlicher Gebrechen vor gut 5.000 Jahren über die Ötztaler Alpen schleppte“. Kleinstlebewesen in seinem Magen wie Helicobacter pylori plagen bis heute noch die halbe Menschheit. Der Pest ist man gottlob Herr geworden, gegen eine ganz andere Seuche dürfte es aber kein probates Mittel geben. Mit dem Zitat aus Goethes Zauberlehrling „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los“ wird ein Schädling präsentiert, der die meisten von uns befallen hat. Es ist das Smartphone, das Handy, und in seiner Gesellschaft eine Heerschar von KI-Parasiten. Ihr Habitat ist die Cloud, aus der sie gut geschützt zwar nicht unser Blut saugen, „aber unsere Zeit, unsere Emotionen und unsere Daten. Und die Wirte? Das sind wir alle“, so das warnende Resümee der Autoren Hutter und Mazhar. BAUMHOROSKOP DER KELTEN Unsere seelenverwandten Holzgewächse
Problematischer wird es allerdings, wenn er feststellt: „Seit Menschengedenken verbindet uns eine tief verwurzelte Seelenverwandtschaft“ mit „Bruder Baum“. Dabei beruft sich Matzl auf die Kelten, die von dieser mystischen Beziehung wussten. Deren kultische und geistige Führer, die Druiden, hätten in ihren heiligen Hainen das Jahr nach den Wachstumszyklen der Bäume geordnet und dabei das Wesen der Menschen damit in Verbindung gebracht. Der Autor: „Spuren dieses geheimen Wissens um den Zauber des Waldes und die Kräfte seiner Bäume sind uns in Brauchtum und Volksglauben erhalten.“
Aus dieser geheimnisvollen Überlieferung ist das „Baumhoroskop“ erwachsen. Es stellt fest, dass jeder Mensch im Zeichen eines persönlichen Lebensbaums geboren ist. Ein Baumkalender gibt Auskunft, ob man eine Zypresse, eine Eberesche oder eine Birke ist. Die 23 Baumarten werden in der Folge ausführlich einzeln unter diesem Aspekt beschrieben. Ein gutes Beispiel liefert die Ulme, die für die Zeiträume 12.1.-24.1. & 15.7.-25.7. verantwortlich ist. Kurzcharakteristik wie am Zuckersackerl im Kaffeehaus: gepflegt und geschmackvoll, ruhig und beherrscht, von Natur aus heiter, erringt leicht Vertrauen. Nach einer botanischen Beschreibung der Rüster, wie sie auch genannt wird, erfährt man, dass die Ulme in der griechischen Mythologie dem Götterboten Hermes geweiht war. Ihr Holz war hoch geschätzt für Dachkonstruktionen, Wagenräder, Geschützlafetten und den Schiffsbau. Sogar Brotmehl wurde aus seiner Rinde gewonnen. Aber auch solche bis 40 Meter hohe Riesen sind gefährdet, durch einen Winzling namens Schlauchpilz und durch die Betonlobby, die dem „Rustbaum“ das Wasser entzieht. Nach den Ortsnamen mit Ulme ist der ihnen zugehörige Mensch an der Reihe, der Zuversicht ausstrahlt und sich neben einer Reihe anderer guter Eigenschaften durch ein hohes Maß an Pflichtbewusstsein auszeichnet. Ergänzt wird dieses nun ausführliche Loblied mit prominenten Vertretern weiblichen und männlichen Geschlechts, die den unter der ausladenden Krone der Ulme Geborenen doch ein wenig Stolz vermitteln können. Am Ende noch ein Hinweis: Angeregt von diesem Buch sollte man den Lebensbaumkreis am Himmel im 19. Wiener Gemeindebezirk besuchen, um seinem Baum nahezukommen und mit etwas Fantasie die Seelenverwandtschaft mit dem jeweiligen Laub- oder Nadelgewächs zu erspüren. WIENER ZUCKERL Geschichten zum genüsslichen Lutschen
Angeregt wurde Loibelsberger dazu von Zeitungsberichten aus der „guten alten Zeit“, in der es nicht viel anders zugegangen als heutzutage. Kriminalität ist zeitlos, nicht aber die Sprache. Vor allem in den Dialogen leben noch Wörter, die längst aus unserer Umgangssprache verschwunden sind. Ein Beispiel gefällig? Am Wiener Naschmarkt schreit die rote Rosi, eine übel beleumundete Weibsperson, den Herrn Inspector respektlos an, als er ihrem „Freund“ eine kräftige Linke verpasst. Hier beginnt nun das Zitat: „Lassen´s den Turl in Ruah! Sie bamstiger Kiberer, Sie! ...“ „Rosi, kusch!“ knurrte Nechyba. Dann nahm er den Turl beim Krawattl und drängte ihn an die Wand eines Standes. „Bist wahnsinnig g´worden, Turl? Willst das Arbeitshaus wieder von innen sehen?“ Der Strizzi stotterte: „Aber Herr Inspector, der Gotthelf hat mei Madl bestohlen....“ Was war nun wirklich passiert? Weiter in der Moritat an späterer Stelle: Die Gaffer applaudierten und die Freihaus Mitzi verkündete: „Versteckt hat sie´s g´habt. Zwischen ihren Tuttln. Weils dem Turl nix abgeben wollt...“ Wenn das nicht ein literarisches Zuckerl ist, das man geruhsam lutschen, pardon, lesen sollte und ja nicht zerbeißen, damit der g´schmackige Kern in der Pointe wirklich erst am Ende aufgeht. Heilkräuterbüschel zum Trocknen aufgehängt © Barbara Wirl / Wirl Photo SÄULEN DER KLOSTERHEILKUNDE Aktuelles Heilwissen aus alten Quellen
Gedacht sind sie als Hilfe für Körper, Geist und Seele, eben Klosterheilkunde, wie sie sie einst die schriftkundigen Mönche und Nonnen aus der Antike über die Zeiten herauf bewahrt haben. Mit ihm hat Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, Facharzt für Anästhesiologie und Allgemeine Intensivmedizin, diese Art und Weise der Heilung im Licht der sogenannten Schulmedizin betrachtet. Aus dieser Zusammenarbeit, getragen von gegenseitiger Achtung, entstand das Buch „Säulen der Klosterheilkunde“, das auch Laien einen Zugang in diese nicht unkomplizierte Materie eröffnet, nicht zuletzt erleichtert durch die reiche Illustration mit ungemein ansprechenden Fotografien.
„Allein im Gänseblümchen sind etwa 150 Wirkstoffe enthalten. So was kriegt keiner hin“, ist bereits eine Ansage, die für die Stärken dieser durchaus alternativen Behandlungsmethode spricht und Skeptiker überzeugen sollte. Es ist die unendlich große Erfahrung, die hinter einzelnen Rezepten steckt, angefangen vom Anbau der Kräuter und der richtigen Dosierung der Extrakte. Das allein wäre aber noch zu wenig. Einbezogen wird der Mensch als Ganzes im Sinne der Spiritualität, und es wird versucht, in dessen Leben wieder Ordnung zu bringen. Es sind fünf Säulen, auf denen die Klosterheilkunde ruht: Natur und Naturerfahrung, Bewegung, Beratung und gemeinsames Lernen, Therapie oder Behandlung und Lebensraum und Wohnen. „Bewegung und Ruhe gehören ganz eng zusammen. Jede Übertreibung ist Unfug“, ist eine der kleinen Hilfen zum Verständnis.
Das Buch beschränkt sich jedoch nicht auf Jahrtausende gepflegte Empirie der Benediktiner oder der Weisheit einer Hildegard von Bingen und eines Albertus Magnus. Vorgestellt werden auch Phänomene wie die „Wunderheilerin“ Krassimira Dimova, die ihre übernatürlichen Kräfte, die Energie, wie sie sie nennt, unerwartet mit einem grellen Licht erhalten hat.
DER BEZOAR Wenn Historiker einen Krimi schreiben
Damit war das ideale Umfeld für finstere Verbrechen gegeben, die in Konstantinopel ihren Ausgang nehmen und über ominöse Wege in das Zentrum des Reiches gelangen, um dort zu einem grausamen Ende gebracht zu werden.
Der Titel „Der Bezoar“ macht bereits neugierig. Aufgrund seiner Entstehung wird er auch als Magenstein bezeichnet und findet sich bis heute in den Schatzkammern von Adelshäusern und Museen. Es handelt sich um ein Wunderding mit vielfältiger Wirkung, wird ihm zumindest nachgesagt, und er war nicht zuletzt deswegen ein äußerst wertvoller Gegenstand, der zu kostbaren Schmuckstücken verarbeitet wurde. Die beiden Historiker zeigten in ihren Schilderungen keinerlei Berührungsängste mit blutigen Morden, der damals gepflogenen Folter und – Sex sells – einer unwiderstehlichen Weibsperson, die im Mittelpunkt dieser Machenschaften steht. Daneben werden Themen wie Protestantismus und Gegenreformation angeschnitten. Der „Detektiv“ ist ein junger Lutheraner aus dem Ausseerland, den es aufgrund administrativer Obliegenheiten nach Prag verschlagen hat. Mit ihm wandert man in der Stadt an der Moldau durch die Kleinseite und auf den Hradschin, besucht eine Apotheke dieser Zeit und erhält profunde Einblicke in das Wirken und Denken der Alchemisten, bevor man ihn zu einer Audienz bei Rudolf II. begleitet. MYSTISCHES SALZKAMMERGUT Die andere Wirklichkeit hinter der Idylle
In ihrem Buch „Mystisches Salzkammergut“ (Verlag Ueberreuter) lädt sie die Leserschaft ein, mit ihr hinter die Wände der gewohnten Wirklichkeit zu treten und zu staunen, was sich in dieser anderen Welt an Spannendem und Unerwartetem verbirgt.
Die Reise beginnt mit einer Umrundung des Mondsees. Wer genau hinschaut, sieht vielleicht noch das versunkene Dorf oder entdeckt eine Spur zum verborgenen Schatz im Kloster. Auch die Feiertage in dieser Region haben es in sich, wenn dabei alte Bräuche, zum Beispiel die Glöcklerläufe, wie vor Urzeiten noch gepflogen werden. Mysterien gibt es im Wasser wie am Land und lassen sogar die Queen of Crime Agatha Christie des Nachts in Hallstatt spuken. Bei Glücksplätzen, Kraftorten und Naturgeistern ist allerdings ein unerschütterlicher Glaube an derlei Phänomene unabdingbare Voraussetzung. Wenn man sich jedoch durch Handauflegung am „Nabel Österreichs“ gestärkt fühlt, dann kann daran nichts Unrechtes sein. Die Geschichten lesen sich fein und zügig, enthalten entsprechende Ortsangaben und machen Lust auf einen esoterischen Aktivurlaub. Schade, dass die Fotos fehlen. An ihrer Stelle finden sich größtenteils lediglich Aquarelle, wie sie die Künstler im 19. Jahrhundert angefertigt haben, um den Daheimgebliebenen einen Begriff von der Faszination des Salzkammergutes zu vermitteln. LESERBRIEFE ANNO DAZUMAL Zeitlose Weltverbesserungsvorschläge
„Klaghansl“ hieß die Rubrik, die ihren Leserinnen ermöglichte, kleine, aber um nichts weniger störende Ärgernisse in Leserbriefen zur Sprache zu bringen. Es sind keine Reaktionen auf Artikel dieser Zeitschrift, sondern durchwegs persönliche Statements von Menschen, die sich mit ungezogenen Hunden im Restaurant, gefährlich spitzen Hutnadeln oder gedankenlosen Mistmachern nicht abfinden wollten. Medienprofi Stefan Franke hat darin geschmökert und im Verlag Ueberreuter eine Auswahl der originellsten und erstaunlich literarischen Aufsätze begabter Laien als Schmunzelbuch herausgegeben. Schnitt und Einband entsprechen in ihrer ansprechend altmodischen Aufmachung voll und ganz dem liebevoll umständlichen Titel „Ein bisserl schimpfen, ein bisserl räsonieren“, da man es damals – und das unterscheidet sich gewaltig von den Hasstiraden und Untergriffen in den Social Media – noch verstanden hat, sich mit Stil und ohne bösartiges Geschimpfe zu ärgern. SÜNDIGES WIEN Schamlose Lebenslust durch alle Zeiten
Schon die Römer trieben es toll im Lupanarium (Freudenhaus) am heutigen Michaelerplatz, wo die Soldaten die Liebesdienste mit eigens geprägten Bordellmünzen bezahlten. Die frühen Habsburger ließen die Venusdienerinnen ebenfalls wohlwollend gewähren, unter den Augen der Kirche, die das Puff, ein Würfelspiel, neben anderen Vergnügungen tolerierte. „Porzellanfuhren“, der „Mopsorden“ oder „Grabennymphen“ begleiten den Leser bis herauf in der Zeit, als Kaiser Franz Joseph inkognito seine Libido auslebte, die Leiche von Komtesse Mizzi aus dem Donaukanal gezogen wurde oder Wien im Fin de siècle zur Hauptstadt der Pornofotos avancierte.
Wer jedoch in dieser Beziehung nicht frei ist von Schuld, dem sei „Sündiges Wien. Skandale, Lust und Laster“, erschienen im Verlag Carl Ueberreuter, an das von Sinnlichkeit und Liebe übervolle Herz gelegt. Gabriele Hasmann hat gründlich recherchiert und erzählt in kurzweiliger Form aus der bemerkenswerten Historie unserer Stadt die unglaublichsten Geschichten. Und die Gegenwart? Nachtclubs und schummrige Bars sind mit voller Adresse angegeben und als Gebrauchsanweisung werden Ausdrücke aus der Halbwelt übersetzt. Es zählt schließlich zum verlässlichen Allgemeinwissen, dass man Zuhälter, Bereiter, Kuppler, Mittelsmänner oder Schläger auf ihren Sitzplätzen auf der Galerie auszumachen versteht, oder als einen Leckerbissen für Sprachkundler das Wort „füdenol“ in die schlüpfrige Unterhaltung einwirft. Damit erregen Sie, werter Herr, garantiert bewundernde Aufmerksamkeit der anwesenden Damen. In diesem Sinne verspricht der nobel altrosa gehaltene Rücken dieses feinen Bändchens (192 Seiten) anregende Lektüre und ist nicht zuletzt eine prickelnde Bereicherung der erotischen Abteilung in Ihrer Bibliothek. DER DOZENT UND DER TOD Wissenschaft schützt nicht vor Mord
Das Personal ist mit Bedacht ausgewählt. Jede und jeder ist verdächtig, den Mord begangen zu haben. Und das in der Universität, diesem für einen Außenstehenden so hehren Tempel der Lehre mit scheinbar durchwegs integren Mitgliedern. Man muss Vocelka bei seinem Blick in die tiefsten Abgründe dieser Institution brutale Ehrlichkeit konstatieren, wenngleich er die Tatzeit vorsichtshalber in die Vergangenheit rückt, quasi in sein Metier, in dem er das Geschehen historisch beleuchtet.
Worum geht es? Bei einem Probesingen, so wird im Insiderjargon der Probevortrag in einem Auswahlverfahren für einen Lehrstuhl genannt, fällt ein Kandidat nach kurzer Begrüßung einfach um und stirbt. Herzinfarkt oder Gift? Als Erzähler tritt der Dozent eines benachbarten Institutes auf. Da es sich um sogenannte Orchideenfächer – der Dozent ist Turkologe, der neue Professor wird für die Indologie gesucht – handelt, glauben die Beteiligten von zahllosen Auseinandersetzungen einander zu kennen. Damit gerät der Dozent als erster in das Visier von Chefinspektor Lietzmann. Wie er sich daraus befreit, wie viel Detektivarbeit seinerseits dafür nötig ist und wer schlussendlich als Täter überführt werden kann, ist die eine Ebene. Dazu kommt eine anregende Beschreibung des freien Sexual- und sonstigen Genusslebens eines Alt-Achtundsechzigers in den 1980er-Jahren. Literarisch wird es schließlich in einem inneren Monolog, mit dem der von Dämonen und Komplexen verfolgte Mörder den Roman einleitet und in der Folge immer wieder wortgewaltig auftritt. Man kennt also den Verbrecher und weiß dennoch nicht, wer sich hinter der von tödlichen Hass erfüllten Kreatur versteckt. Perfekt! Das nennt man akademische Akribie, wie sie wohl nur ein des vielseitigen Schreibens mächtiger Wissenschaftler zustande bringt. DREIZEHN LEBEN Frauen, die man kennenlernen sollte
Sie zeigen Möglichkeiten auf, aus dem persönlichen Schlamassel, in dem sich 99 Prozent unserer Gesellschaft gefangen wähnt, einen Ausbruchsversuch zu wagen. Diese Intention liegt dem Buch „Dreizehn Leben“ (erschienen im Verlag Carl Ueberreuter) von Anna Badora, hierzulande als Direktorin des Volkstheaters noch in guter Erinnerung, laut Untertitel „Frauenporträts, inspirierend und wegweisend“ zugrunde. Bei den Kurzbiographien bedeutender Frauen dürfen sich gerne auch Männer eine Scheibe abschneiden und erkennen, dass nicht nur sie mit ihren Misserfolgen allein dastehen, sondern diese Schicksal durchaus mit Frauen teilen. Hier dürfen sie tröstlich erfahren, dass auch mancher der in diesem Buch vorgestellten Heldinnen der Aufstieg zu Spitzenpositionen nicht in die Wiege gelegt war.
KAISERLICHER GLANZ und die Menschen dahinter
Dazu kam eine Heiratspolitik, die sich in einem unbegreiflichen Standesbewusstsein keinen Deut um Degenration und Inzucht kümmerte; Hauptsache, die Kandidatinnen entsprachen dem Rang, der einem Kronprinzen würdig war und waren entsprechend gebärfreudig. Dass damit auch Kretins, Idioten oder Lustmolche auf den Thron gelangten, war das traurige Ergebnis, unter dem die Bevölkerung zu leiden hatte, sich aber kaum wirksam wehren konnte.
So stellt sich nun die Frage, wie und warum sich das Haus Habsburg dennoch über so lange Zeit in der Spitze der gekrönten Häupter halten konnte. Eine Antwort darauf hat die Historikerin Sigrid-Maria Größing gesucht, indem sie angefangen von Rudolf I. bis zu Karl I. dem Leben aller zu Königen oder Kaisern gekrönten Habsburger nachgegangen ist und von jedem einzelnen ein ausführliches und in vielen Fällen ernüchterndes Bild seiner Persönlichkeit gezeichnet hat. Der Titel „Kaiserlicher Glanz. Habsburgs Herrscher in Geschichten und Anekdoten“ (Verlag Ueberreuter) mag daher irreführend sein, denn von Glanz ist selten die Rede. Abgesehen von diesem unbedeutenden Mangel ist ihr Buch jedoch ein erfrischender Kontrapunkt zu vielen Werken, die nicht selten in Reminiszenzen einer großen Zeit schwelgen und einer falschen Romantik huldigen. Nach der letzten Seite ist man überzeugt, dass wir uns glücklich schätzen müssen, in einer demokratischen Republik zu leben, unseren Bundespräsidenten alle sechs Jahre wählen zu dürfen und eine Verfassung zu besitzen, die auch über Krisen wie in jüngster Zeit „elegant“ erhaben ist.
HABSBURGS KAISERINNEN Mehr als nur Mütter des Nachwuchses
Oder mit Maximilian II., von dem man hier erfährt, dass er vor der Heirat ein zügelloser Lüstling war, von seiner Frau Maria von Spanien aber zur Räson gebracht wurde und die beiden in einer durchaus harmonischen Ehe lebten.
„Halb verhungert, fristete sie ihr Dasein, ohne Mann und Kind zog sie im Lande umher und nirgendwo erkannte man in der heruntergekommenen Frau mit dem eisgrauen Haar die einstmals steinreiche Gemahlin des Kaisers.“
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